Abtreibungsrecht bleibt! Marsch fürs Läbe stoppen!
Gegendemonstration am 15. September, 14:45 Uhr Bahnhofplatz Bern
Am 15. September kommen erneut die christlichen Fundamentalist_innen des „Marsch fürs Läbe“ nach Bern, begleitet von den Faschist_innen der Partei National Orientierter Schweizer PNOS. In der Schweiz wird diese Bewegung der Abtreibungsgegner_innen gerne als unbedeutend gesehen. Angesichts des Rechtsrucks in Europa sollte Abtreibung jedoch als er- und umkämpftes Menschenrecht gesehen werden.
Erst 2001 verabschiedete das schweizer Parlament ein Gesetz zur sogenannten Fristenregelung: 12 Wochen ab der letzten Blutung sind nun in der Schweiz Abtreibungen bzw. Schwangerschaftsabbrüche legal. Es war ein langer und umkämpfter Weg bis dahin.
Mehr als nur die „komischen Fundis“
Gegen das parlamentarische Gesetz wurde jedoch das Referendum ergriffen. Das Referendum wurde nicht nur von den chritslichen Fundamentalist_innen ergriffen, also Menschen, welche seit Jahren sämtliche Schwangerschaftsabbrüche, auch bei Vergewaltigungen und aus medizinischen Gründen, ablehnten. Mit in ihrem frauenfeindlichen Boot war auch die CVP.
„Marsch fürs Läbe“ – nicht nur marginal
So ist auch der „Marsch fürs Läbe“ nicht einfach ein Anti-Abtreibungsmarsch einiger rückwärtsgerichteter Spinner_innen. Neben den fundamentalistischen Freikirchen finden sich ebenso etablierte Parteien und Gruppen darunter. Zwar scheint sich die EVP mittlerweile wieder aus dem Organisationskomitee verabschiedet zu haben, geblieben ist jedoch die rechte EDU, welche die SVP rechts überholen will. Dabei ist auch die Evangelische Allianz, welche von sich selbst sagt, 460 Landes- und Freikirchen, wie auch 600 Millionen Christ_innen weltweit zu umfassen. Die Märsche sind international bestens vernetzt. So bekam die Schweizer Ablegerin letztes Jahr auch „Asyl“ am Berliner Marsch, da die Schweizer Version erfolgreich verhindert worden war.
Auffälig ist auch, dass Oftmals nicht Arbeiter_innen ein Abtreibungsverbot voran treiben, sondern sektiererische Kreise aus dem freikirchlichen und landeskirchlichen Millieu. Und meist sind es geistige Anführer – also weisse Männer. So kommen im zehnköpfigen OK des „Marschs fürs Läbe“ gerade mal 2 Frauen auf 8 Männer. Eine „Frauenquote“ von 20% ist schon verdammt gering für ein Thema, welches Frauen am härtesten trifft. Das gleiche Bild bietet sich auch an den Veranstaltungen des „Marsch fürs Läbe“: People of Colour sind dort so schwer zu finden, wie Walter in einem Wuselbild. Und oftmals sind die engagiertesten Mitglieder der Gemeinschaft alte Männer, welche sich immer noch als von Gott legitimierten Patriarch der Familie ansehen.
Ein christlich beherrschtes Land
Die Kirche in Europa mag zwar einiges an ihrer Vormachtsstellung eingebüsst haben im Vergleich zu früheren Zeiten. Doch das Christ_innentum stellt immer noch und wohl wieder mehr eine Bedrohung für alle libertären und freiheitlichen Bestrebungen der Menschheit dar. Wie liberal, säkular und progressiv sich die Schweiz auch geben mag, steht doch immer noch in der Einleitung der eidgenössischen Verfassung als erstes: „Im Namen Gottes des Allmächtigen!“. Die hohe Stellung der Institution Ehe, die Homophobie und die Autoritätsgläubigkeit sind immer noch ein christlicher Nachlass der alten religiösen Herrschaften. Teil davon war und ist eben auch die Unterordnung – und in geringerem Masse auch der weniger privilegierten Männer – unter das Patriarchat. Die Ablehnung der Fundamentalist_innen von Abtreibung und Familienplanung – sprich Selbstbestimmung über den eigenen Körper – schlägt in die gleiche Kerbe wie die islamophobe Kritik am Islam: Erhaltung und Erweiterung der religiösen bzw. nun auch nationalistischen Gemeinschaft. Der Ruf nach mehr „einheimischen“ Kindern eint sowohl Rechtsextreme wie auch christliche Fundamentalist_innen.
Der Kampf um Abtreibungsrechte ist auch Klassenkampf
Abtreibungsrechte wurden nicht einfach geschenkt, sie wurden vor allem auch auf den Strassen und von der Basis erkämpft. Schon die Anarchistin Emma Goldmann kämpfte für Geburtenkontrolle und sah während ihrer Zeit als Krankenschwester das grosse Leid, welches illegale Abtreibungen oder mangelnder Zugang zu Geburtenkontrolle und Informationen zu Familienplanung unter den Arbeiter_innen anrichtete. Denn Abtreibung war und ist immer noch auch eine Klassenfrage: Oftmals sind Familienplanung oder eben Schwangerschaftsabbrüche kostspielig und das Wissen über ersteres nur mangelhaft vorhanden. Während sich die Kapitalist_innen sowohl Wissen wie auch Abbrüche sicher erkaufen können, sind in Ländern mit restriktiven Gesetzen erschwingliche illegale Abtreibungen mit massiven Gefahren für Frauen verbunden. Und diese Risiken betreffen eben mehr Frauen aus der Arbeiter_innenklasse, welche in einem dreckigen Schuppen abtreiben lassen müssen, als reiche Frauen, welche sich nach Europa in Privatkliniken einfliegen lassen können. Dass Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz krankenkassenpflichtig sind, ist ein Vorteil. Doch auch dort muss noch der Selbstbehalt bezahlt werden, womit gesunde Menschen in der Schweiz die Abtreibung effektiv selbst bezahlen müssen. Abtreibung bleibt auch in der Schweiz ein ökonomisches Problem und bleibt damit eine Klassenfrage und somit die Schlacht darum eben auch Klassenkampf.
Wehret den Anfängen der Reaktionären
Die Geschichte ist nicht linear fortschrittlich, heute stehen viele der Errungenschaften der Arbeiter_innenbewegung wieder unter Beschuss. Arbeitsrecht, der 8-Stunden-Tag und eben auch feministische Errungenschaften. 2010 versuchte der spanische Staat, das Abtreibungsrecht einzuschränken, Polen marschiert in Richtung totales Abtreibungsverbot – obschon es bereits eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa besitzt. In den USA erstarkt auch der Anti-Abtreibungsflügel der herrschenden Republikanischen Partei: Der öffentlichen Familienplanung werden regelmässig Gelder gestrichen, was den Zugang besonders für die Arbeiter_innenklasse nochmals erschwert.
All diese Beispiele sollten uns zeigen, dass die relativ liberale Praxis in der Schweiz nicht als selbstverständlich hingenommen werden sollte, sondern schon jetzt den Konterrevolutionären Kräften entgegengetreten werden sollte. Das Recht auf Abtreibung – und somit das Recht des Menschen über seinen Körper zu verfügen – ist und bleibt ein Kampf für die Selbstbestimmung des Menschen und gegen Kapital, Nationalismus, Patriarchat, Rassismus und religiösen Fundamentalismus.
Ein ganzer Monat gegen Fundis
Die Organisator_innen der Gegendemonstration gegen den „Marsch fürs Läbe“ begnügen sich nicht einfach mit einer Gegendemonstration. Ihnen scheint es genau so wichtig, sich für eine Ausweitung des Kampfes einzusetzen. So werden im September im Rahmen des „Queerfeministischen Themenmonats gegen Christlichen Fundamentalismus“ verschiedene Veranstaltungen stattfinden: Filmabende, Radiosendungen, Ausstellungen, Workshops z.B. zu Sexualität, Safer Sex, Polyamorie etc. Damit soll auch eine Botschaft verbreitet werden: Wir werden uns nicht mit dem Abtreibungsrecht zufrieden geben. Wir kämpfen so lange weiter, bis alle Frei sind.
Weitere Infos zum Themenmonat in Bern und Solothurn und der Demonstration finden sich unter wwwbernstelltsichqueer.noblogs.org oder auch www.Barrikade.info