In der Schweiz arbeiten 244‘000 Menschen im Gastgewerbe. Meist Teilzeit, unter massivem Stress und teilweise ohne Mindestlohn. Zur Prekariatsliste kommen dann meist noch sexuelle Übergriffe, miese Chefs und null Schichtsicherheit. Sprich: Wenig Lohn für beschissene Arbeitsbedingungen. Die FAU Bern fordert alle Beschäftigten auf, sich selbstorganisiert für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen!

 

Niedrige Löhne und Stress

 

Die Mindestlöhne belaufen sich für Personen ohne Ausbildung auf 3417.- Franken und liegen damit selbst unter dem geringen Mindestlohn von 4000.-, wie ihn die Mindestlohninitiative 2014 forderte. Ausserdem gilt der Mindestlohn nicht für Personen, welche ganzzeitig an einer Uni oder Fachhochschule studieren. Dies ist besonders stossend, da Studierende häufig in der Gastronomie arbeiten.

Da liegt der Mindestlohn für Ausgebildete wie z.B. Köch_innen mit 4120 um einiges höher, ist jedoch immer noch relativ gering. Besonders angesichts dessen, dass die Arbeit in den „Rush Hours“ überaus anstrengend und stressig sein kann. Dabei ist nicht nur Sozialkompetenz im Umgang mit Gästen und Teammitgliedern gefordert, sondern auch die Fähigkeit, Arbeitsabläufe zu gestalten, zu organisieren und den Umständen anzupassen.

 

Zimmerstunde

 

Ein Spezialfall der Gastronomie stellt nach wie vor die Zimmerstunde dar. Als Zimmerstunde bezeichnet man eine längere Pause während der Schicht. Meist handelt es sich dabei um die Zeit zwischen Mittag und Abend. Meist kommen die Angestellten auf den Mittagsservice. Wenn diese personalintensive Zeit vorbei ist, müssen manche Pausen von bis zu 3 Stunden machen und kommen dann auf das Abendessen zurück, wo die Anzahl an Personal wieder steigt. Gerade in Saisonbetrieben z.B. in Skigebieten ist dies ein weitverbreitetes Phänomen. Dies führt jedoch auch zu einem längeren Arbeitstag ohne mehr Lohn, wobei die Pausen meist nicht ausreichen, etwas gescheites damit anzufangen. Auch stossend in Saisonbetrieben ist, dass der monatliche Mindestlohn für eine 43,5-Stundenwoche gilt, nicht wie in Normalbetrieben für 42 Stunden. Saisonniers arbeiten also im Vergleich 1,5 Stunden gratis!

 

Auf Abruf

 

Normalbetriebe sind verpflichtet Arbeitspläne 2 Wochen im Voraus mitzuteilen. Saisonbetriebe nur je eine Woche. Dies macht es schwierig, langfristige Planungen anzulegen, da es kein nine-to-five-Job ist und an unregelmässigen Tagen und Tageszeiten gearbeitet wird. Dazu kommt Arbeit auf Abruf: Es gibt Betriebe, wo die Arbeitenden einen Abend vorher Anrufen müssen um zu erfahren, ob sie am nächsten Tag überhaupt arbeiten können. Solche Arbeitsverhältnisse sind der starken Abhängigkeit mancher Betriebe vom schönen Wetter geschuldet. Dies darf jedoch nicht heissen, dass das Betriebsrisiko durch einen beschissenen Lohn einfach so auf die Arbeitenden abgewälzt werden kann. Denn dann kommt mit der unregelmässigen Arbeit auch die finanzielle Ungewissheit. Wie gesagt: die Löhne sind sehr tief und ausserdem arbeiten von den 244‘000 Beschäftigten in der Gastronomie mehr als die Hälfte in einem Teilzeitpensum, was zu einer weiteren Prekarisierung führt: Das Geld reicht ohnehin nicht wirklich zum Leben, was sich durch die Schichtunsicherheit noch verstärkt.

 

Struktureller Sexismus

 

In privaten Beziehungen ist das Kochen eher etwas, was gesellschaftlich von der "Hausfrau" erwartet wird. Daher sollte der Frauen-Anteil in der Küche ja eigentlich hoch sein. In der Gastronomie verhält es sich jedoch eher umgekehrt. Hier zeigt sich bereits der strukturelle Sexismus. Während im Privaten und in Beziehungen, sich eher Frauen um die Küche kümmern, ändert sich dies, wenn es professionalisiert, also zu einem bezahlten Beruf wird. Chefköch_innen sind daher eben meist männlich. Auch in dieser Branche gilt: Je höher die Funktion, umso weniger Frauen hat es. Und je höher die Stellung im Betrieb, umso drastischer werden die Lohnungleichheiten. Also auch der sogenannte Gender Pay Gap1 öffnet sich gegen oben noch stärker. In Kaderfunktionen der Gastronomie verdienen z.B. Männer im Durchschnitt 1000 Franken mehr als Frauen. Bei Stellen ohne Kaderfunktion sind es „nur“ 200 Franken. Dies ist stossend, da 57% der Angestellten in der Gastronomie Frauen sind. Jedoch sind diese in der oftmals besser bezahlten Küche weniger vertreten. Der Umstand, dass mehr Männer in leitenden Funktionen sind, verschlechtert auch die alltägliche Situation im Betrieb, wenn es um sexuelle Belästigung geht. Es braucht schon viel Einfühlungsvermögen und Kenntnisse von sexueller Belästigung, wenn diese selbst weitaus weniger – wenn überhaupt – erfahren wird.

 

Sexismus am Arbeitsplatz

 

Sexuelle Übergriffe sind leider häufig in der Gastronomie. Besonders in den stress- und testosteronbeladenen Küchen kommt es immer wieder zu sexuellen Anmachen, rauen Tönen bis hin zu Gewalt- und Vergewaltigungssprüchen.

Nebst diesen „normalen Gefahren“ durch Kolleg_innen kommen im Service noch die Gäste und eine Bedienungsbeziehung zu diesen hinzu. Schlimmer kann es kommen, wenn dann noch eine Mentalität wie „Der Kunde ist König“ hinzukommt. Manch ein Gast könnte sich verleitet fühlen, sein sexuelles Verlangen offensiv kundzutun. Ein Griff an den Hintern, niedere Anmachen, Forderungen, welche an die Höhe des Trinkgelds gekoppelt sind, all dies ist Normalität in der Gastronomie. Dagegen hilft meist nur Teamrückhalt und ein Bewusstsein vonseiten der Vorgesetzten. Ohne dies ist man als Angestellte_r dem Machtgefüge zwischen Gast und Bedienung ausgesetzt, ohne auf jegliche Unterstützung hoffen zu können. Denn manchmal kommt von oben eher ein „Nun hab dich nicht so“ oder gleich die Kündigung. Viele verlassen auch von sich aus den Betrieb, weil sie sich allein gelassen fühlen.

 

Es kommt jedoch auch oft vor, dass sexuelle Übergriffe nicht vonseiten der Gäste kommen, sondern teamintern stattfinden. Die Chef_innen sind zwar verpflichtet, die Integrität ihrer Mitarbeitenden zu schützen und alles mögliche zu tun, damit sexuelle Übergriffe nicht (wieder) passieren. So müssen diese intervenieren, wenn ihnen sexuelle Belästigung gemeldet wird, besonders bei internen Fällen. Ein Blick in die Datenbank von www.Gleichstellungsgesetz.ch2 zeigt jedoch, dass oftmals auch die Chefs selbst die Täter sind. In der Hälfte der Fälle kamen die Übergriffe durch Vorgesetzte, meist mitsamt der Kündigung, wenn die Avancen nicht erwidert wurden. Dort entfaltet sich ein verheerendes Machtgefälle.

 

Was tun bei sexueller Belästigung?

 

In Fällen von sexueller Belästigung sind die Beweise wichtig. Wenn die Belästigung von Kolleg_innen kommt, empfiehlt es sich, diese_n darauf anzusprechen (am besten nicht alleine), vielleicht sogar schriftlich mit Kopie an die Vorgesetzten. Wenn dies nichts nützt, solltest du deine Vorgesetzten auffordern, gegen die Person vorzugehen. Oftmals bist du auch nicht alleine, meist sind noch andere im Betrieb betroffen. Also tauscht euch darüber aus, dann hast du auch noch einige Verbündete im Betrieb.

Beweise sind wichtig: solche Protestschreiben an die Vorgesetzten können vor einer Schlichtungsstelle oder Gericht3 als Beweise gelten. Ausserdem solltest du Zeug_innen sammeln, welche etwaige Übergriffe oder Versäumnisse deines Chefs belegen können. Denn dein Chef ist verpflichtet, alles Mögliche zu tun, damit sexuelle Belästigung nicht geschieht oder aufhört und dass dir dadurch keine Nachteile entstehen: z.B. dass dich die abgewiesene oder schon verwarnte Person nun mobbt. Auch wenn dein Chef dir aufgrund von erfahrener sexueller Belästigung kündet (z.B. weil du ihn abgewiesen hast), hast du Anspruch auf eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung. Während eines Verfahrens geniesst du und deine allfälligen Zeug_innen einen Kündigungsschutz von bis zu 6 Monaten.

 

Die Öffentlichkeit nutzen

 

Falls es generell zum Arbeitskampf kommen sollte, befindet man sich in einer zweiseitigen Lage. Einerseits gibt es viele Arbeiten wie Tellerwaschen, welche nicht zwingend eine Ausbildung erfordern. Dadurch kann in diesen Bereichen schneller ein Ersatz bzw. Streikbrecher_innen angeheuert werden.

Aktion der FAU Berlin vor dem Barist Caffee. Dieses hatte gerichtlich erreicht, dass die FAU den Betriebsnamen nich mehr erwähnen durfte. Nützt aber halt nicht viel, wenn die Proteste direkt vor dem Laden sind.

Andererseits ist ein Restaurant ein sehr öffentliches Unternehmen. Dadurch bietet sich in der Gastronomie auch die Möglichkeit, öffentlichkeitswirksame Aktionen zu gestalten. Kaum etwas ist so schlimm für ein Restaurant, wie ein Imageschaden. Wenn der Ruf erst ruiniert ist, ist es schwierig diesen wiederherzustellen. So versuchte etwa die FAU Berlin durch Demonstrationen vor dem Restaurant Barist Druck auf die Betreibenden auszuüben. Der Arbeitskampf um ausstehende Löhne endete mit einem Vergleich und somit einem Erfolg. Wie stark die Öffentlichkeit sein kann, bewies das Vorgehen von Barist: Mitglieder der FAU wurden eingesperrt, von Handlanger_innen während Aktionen bedroht und schlussendlich erwirkte der Betrieb kurzzeitig eine einstweilige Verfügung. Diese Verbot der FAU Berlin, den Namen des Betriebs zu nennen4 .

 

Wir finden es wichtig, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie verbessern, bzw. schon nur der Landesgesamtarbeitsvertrag (L-Gav) eingehalten wird. Falls du dich also wehren willst, nimm mit uns Kontakt auf. Wir helfen dir dabei. Denn Gemeinsam sind wir stärker!

 

FAU Bern

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1 Der Unterschied der Löhne, welcher nur auf das Geschlecht bzw. Gender zurückzuführen ist. Dies entspricht also der sexistischen Lohndiskriminierung.

2 Eine Datenbank der Fachstellen für Gleichstellung, welche Urteile von Gerichten und Schlichtungsbehörden im Zusammenhang mit dem Gleichstellungsgesetz sammelt.

3 Der Gang zu einer Schlichtungsstelle oder einem Arbeitsgericht im Zusammenhang mit dem Gleichstellungsgesetz ist gratis.

4 https://berlin.fau.org/news/fall-barist-erfolgreich-beendet

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