Sudan: Militär stellt sich gegen die Revolution
Die Befürchtungen haben sich bestätigt. Das Militär als selbsternannter Heilbringer der Demokratie hat sich nun gegen die Protestierenden gewendet. Doch selbst Internet-Blockade und das Massaker vom 3. Juni können den Willen zur Revolution nicht brechen.
Seit Dezember 2018 haben sich die Proteste im Sudan zugespitzt. Zwar gab es seit dem Putsch Omar Al-Bashirs 1989 immer wieder Aufstände, besonders in den Regionen Darfur und dem mittlerweile autonomen Süd-Sudan, jedoch gelang es dem Diktator immer wieder – auch dank internationaler Hilfe – sich an der Macht zu halten. Die massiven Schulden und die stark ansteigende Inflation liessen Ende letzten Jahres das Fass zum Überlaufen bringen. Monatelange Proteste und Streiks führten schlussendlich im April zur „Absetzung“ des Diktators, jedoch nicht seiner Handlanger*innen.
Militär Teil des Problems
Deswegen flachte die Freude über die Absetzung des Diktators auch sehr schnell ab. Denn wer die Situation im Sudan kennt, weiss, dass hinter Al-Bashir eben auch das Militär steckte. Es war nicht nur stark an seiner Machtergreifung beteiligt, sondern auch an den unzähligen Massakern in Darfur, dem Südsudan oder der Region des blauen Nils. Das Militär war nie neutral im Sudan, war nie einfach die Marionette des Regimes, es ist und war stets selbst fester Bestandteil der Diktatur. Bashir mag weg sein, doch seine Schlächter*innen haben sich nun an die Regierung geputscht. Denn nach Al-Bashirs Absetzung erklärte das Militär nicht nur die Ziele der Revolution für „erfüllt“, sondern setzte sich als Militärischer Übergangsrat (englisch Transitional Military Council TMC) an die Spitze des Landes.
Massaker anfangs Juni
Zeigte sich der TMC nach dem Sturz Al-Bashirs noch dialogbereit gegenüber den Revolutionär*innen, endete diese Bereitschaft Anfangs Juni.
Denn schon kurz nach dem Militärputsch im April und einer kurzen Ruhepause gingen die Proteste einfach weiter. Besonders betroffen war das Hauptquartier der Armee in der Hauptstadt Khartoum. Sit-Ins, Barrikaden und Proteste sollten den Militärrat zwingen, die Macht an einen zivilen Rat zu übergeben. Am 3. Juni legte die Armee ihr nettes Gesicht ab und richtete in Form von Milizen und den paramilitärischen Rapid Support Forces RSF ein Massaker unter den Protestierenden an. Mindestens 100 Menschen verloren ihr Leben, andere wurden zum Teil sogar aus den Spitälern heraus verhaftet. Es kam zu Vergewaltigungen – vielleicht ein Zeichen der Macht gegenüber der feministischen Bewegung im Land, welche auch ihre Befreiung vorantreiben will – und teilweise wurden Protestierende im Nil ertränkt.
Paramilitärs stark im militärischen Übergangsrat verankert
Ko-Vorsitzender des Transitional Military Council TMC ist Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, welcher schon vor der Absetzung Al-Bashirs die RSF anführte. Auch er wird international gesucht, da die Janjawid-Milizen unter seinem Kommando verschiedene Massaker und Genozide in Darfur anrichteten. Diese Milizen wurden mittlerweile in die RSF eingegliedert. Hemeti und andere versuchten also nach den erfolgreichen Generalstreiks Ende Mai mit dem Massaker – wie in den alten Zeiten des Regimes – die Proteste mittels purer Gewalt abzutöten.
Internetblockade und internationale Solidarität
Zudem hat der TMC anfangs Juni einen Grossteil des Internets im Land lahmgelegt. Damit sollte nicht nur die Verbreitung der Schandtaten des brutalen Regimes verhindert werden, sondern auch die Mobilisierung und Vernetzung der Proteste. Gebracht hat es glücklicherweise wenig. Am 20. Juni sah das Land wieder massenhaft Proteste. Zudem wurde für den 21. Juni zu internationalen Aktionen unter dem Hashtag #blueforSudan aufgerufen. Damit sollte der Druck auf die westlichen Regierungen erhöht werden, welche dem Regime immer noch die Treue halten. So wurde auf die „Friedenskonferenz“ am 21. Juni in Berlin z.B. Saudi Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate, Geldgeber des Regimes, eingeladen, jedoch keine der vielen zivilen Organisationen, welche die Revolution unterstützen. Der Kolonialismus lebt also 2019 immer noch heiter weiter.
Nicht-staatliche Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen an der Spitze
Die Proteste wurden anfangs auch von oppositionellen Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen. Besonders die Sudanese Professionals Association SPA schaffte es, grosse Teile des Landes zu mobilisieren. Diese wurde nie als Gewerkschaft anerkannt, denn Al-Bashir liess nur staatstreue Pseudo-Gewerkschaften zu. Prominent vertreten in der SPA waren auch Ärzt*innen und im Gesundheitssektor Arbeitende. Diese stehen immer noch loyal zur Revolution und somit zur Bevölkerung im Sudan. Und besonders deswegen werden sie auch von den Paramilitärs verfolgt, eingeschüchtert und zum Teil sogar getötet. Die SPA hat mittlerweile erklärt, keinerlei Verhandlungen mit der Mörderbande des TMCs zu führen und fordert die sofortige Einsetzung eines zivilen Übergangsrats.
FAT