Rede zur Pflege 1. Mai

Wir Pflegenden sind wütend! Und dies auch zurecht. Denn seit nun einem Jahr zieren wir immer wieder die Titelseiten der Zeitungen. Bilder von überlasteten Pflegenden und dramatische Überschriften, die uns zu Held*innen der Pandemie adeln, als systemrelevant betiteln. Ebenso wird von der grossen Belastung gesprochen, die wir tagtäglich erleben. Sogar, der sich seit Jahren anbahnende Pflegenotstand wurde für viele Menschen ein Begriff. Und ein Grossteil der Gesellschaft wirkt schrecklich betroffen. In Demut wurde für uns geklatscht. Am lautesten klatschten die liberalen und konservativen Hände. Denn ein bisschen klatschen, das kostet ja nichts.

Der ständige Spardruck im Gesundheitssektor macht, dass pro Jahr etwa zweieinhalb tausend Pflegefachpersonen ihren Beruf aufgeben. Fast ein Drittel davon sogar noch vor dem 35. Lebensjahr. Dies ist nicht erst seit der Coronapandemie der Fall. Nein, seitdem ich in der Pflege arbeite, ist Personalmangel Alltag. Schon vor 3 Jahren reichte der Berufsverband der Pflegefachpersonen die jetzt aktuelle Pflegeinitiative ein. Mit dieser Volksinitiative wird versucht, die Missstände in der Pflege etwas zu entschärfen. Der Berufsverband fordert unter anderem eine Maximalanzahl von Patient:innen, die eine Pflegefachperson zu betreuen hat. Die Antwort des National- und Ständerats war wie zu erwarten: Sie arbeiteten einen indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative aus, der alle geforderten Verbesserungen unserer Arbeitsbedingungen rausgestrichen hat. Dieses Verhalten wiederspiegelt genau ihre Haltung gegenüber uns Pflegenden. Wir sind ihnen egal! Von diesen parlamentarischen Sesselfurzer:innen ist nichts zu erwarten. Das einzige was helfen wird, ist die langfristige Selbstorganisierung von uns Betroffenen und die Solidarität der arbeitenden Klasse.

Wir müssen uns mit dem Mittel der Gewerkschaft eine Stimme schaffen und Druck erzeugen, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Denn; zu den Politiker:innen nach oben betteln, hat genau das gebracht, was viele von uns erwartet haben: Nämlich blosse Zugeständnisse aus heisser Luft.

Wir Pflegenden wissen was wir wollen und brauchen. Wir brauchen:
- Mehr Lohn
- Eine kürzere Arbeitswoche
- Verträglichkeit der Arbeit mit dem Familienleben
- Mehr Ferien
- Mehr Personal und somit eine dringend notwendige Senkung der Arbeitsbelastung!

Das ist das Mindeste, denn die Pflege ist ein Knochenjob!



Was wir nicht brauchen, sind Politiker:innen, die uns sagen, dass wir nicht meckern sollen, weil Coiffeure und Coiffeusen ja schliesslich noch weniger verdienen. Was wir auch nicht brauchen, sind Gewerkschaftsfunktionär*innen, die uns sagen, wie wir uns zu widersetzen haben oder was wir von einer Leitung einer Institution zu fordern haben. Denn der Druck, um unsere Ziele zu erreichen, muss von der Basis kommen. Für die sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften wie Unia, VPOD, Syna und wie sie sonst noch alle heissen, sind wir nur weitere Spielbälle, um noch einen weiteren Gesamtarbeitsvertrag abschliessen zu können und somit das Portemonnaie der Zentralgewerkschaft weiter zu füllen. Sie warten nur darauf, dass sie bei GAV-Verhandlungen Handshakes mit den Bossen machen und uns, in unserem Namen, einen sozialen Frieden aufzwingen. Doch sozialen Frieden gibt es nicht, solange wir Bosse haben. Deshalb muss unsere gewerkschaftliche Organisierung basisgewerkschaftlich sein.

Wir müssen als Pflege solidarisch zusammenstehen. Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Weder wegen unseres Abschlusses, noch aufgrund unserer Qualifikation. Wir sind tagtäglich aufeinander angewiesen und so sind wir es auch im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Die Solidarität darf nicht bei der Pflege als einzelne Berufsgruppe enden. Wir müssen uns im Betrieb mit den hauswirtschaftlichen Diensten und ALLEN anderen Lohnabhängigen zusammenschliessen. Nur so bauen wir eine Gegenmacht zu den Profiteur:innen unserer Arbeit auf. Was im Betrieb gilt, gilt auch für uns als Ganzes, für uns als Klasse der Lohnabhängigen. Wir dürfen uns aufgrund von Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit oder Bildungsstand nicht spalten lassen. Alle Kämpfe der unterdrückten Klassen ergänzen sich. Sie sind notwendig und sie sind die Kämpfe von uns allen. Organisieren wir uns; als Pflege und als Klasse, damit Menschen vor dem Profit stehen, für den Aufbau einer selbstbestimmten und solidarischen Welt!

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