Massenproteste im Sudan und Algerien

Seit Monaten ist nun die Bevölkerung sowohl im Sudan wie auch in Algerien auf der Strasse. Beide Bewegungen haben eines gemeinsam: Sie prangern ein Regime an, welches von Korruption und Vetternwirtschaft geprägt ist. Und in beiden Bewegungen spielen die Gewerkschaften eine wichtige Rolle.

 


Sudan: Monatelange Proteste


Seit mehreren Monaten überziehen massive Proteste der Bevölkerung den Sudan. Die Menschen hatten genug von den Machenschaften des äusserst korrupten und brutalen Regimes von Omar Al-Bashir. Dieser hatte sich zusammen mit der Muslimbruderschaft 1989 an die Spitze des Landes geputscht. In den letzten Jahren führte die Korruption zu einem wirtschaftlichen Kollaps des Landes, die Inflation ist massiv angestiegen. Ende des letzten Jahres entwickelte sich ein Protest, welcher sich eigentlich an den hohen Brotpreisen entzündete. Doch dabei blieb es nicht. Besonders die neuen – eigentlich verbotenen – Gewerkschaften riefen erfolgreich zu Protesten ums Ganze auf: Weg mit Al-Bashir, weg mit seinem Klüngel und her mit einem System, wovon alle profitieren und nicht einfach nur die Elite.

 

Notstand nützte nichts


Nachdem das Regime im März den Notstand ausgerufen hatte, nahmen die Demonstrationen wegen der Repression leicht ab. Doch im April schafften es die verschiedenen Organisationen erneut, zu Grossdemonstrationen aufzurufen. Die Demonstrierenden richteten sich immer mehr direkt an das Militär und Polizei, dass diese sich von Al-Bashir abwenden mögen. In der Hauptstadt Khartoum waren Tage zuvor die Zugänge zum Hauptquartier der Armee blockiert worden. Zeitweise schützte das Militär sogar Demonstrierende vor der berüchtigten Geheimpolizei NISS, welche immer wieder Menschen hinrichtete und durch staatlichen Terror versucht, die Bewegung durch Furchteinflössung zu schwächen. Dutzende Demonstrierende verloren in diesen Tagen ihr Leben durch die feigen Angriffe von Al-Bashirs Mörderbanden. Durch den nochmals gesteigerten Druck der Bevölkerung lenkte das Militär und Polizei schlussendlich ein.

 

Militär wollte übernehmen


Am 11. April war es soweit: Ranghohe Militärs verkündeten die „Absetzung“ und Verhaftung des Diktators Al-Bashir und weiterer seiner Anhänger*innen. Daraufhin gab es landesweit Freudensfeiern mit Zehntausenden auf den Strassen. Auf die Freudensbotschaft folgte jedoch die Ernüchterung: Anstatt einer zivilen Übergangsregierung – geschweige denn einer basisdemokratischen Organisation wie einer Räterepublik – verlauteten die Militärs, selbst eine Regierung aufzubauen. Mit gehörigem Chaos. Zuerst erklärte sich der Verteidigungsminister Awad Ibn Auf – ehemaliger General – zum Interimspräsidenten, nur um kurze Zeit später zurückzutreten und einem weiteren Militär Platz zu machen. Die Nachfolge ist zum jetztigen Zeitpunkt noch ungeklärt.

 

Im Sudan geht es weiter

Kein Wunder dass die Protestbewegung nun weiter geht. Denn im Sudan hat das Militär jahrelang sehr gut vom Regime Al-Bashirs gelebt. Das Militär war massgeblich an der Unterdrückung und den vielen Kriegen innerhalb des Sudans beteiligt und wurde fürstlich für seine Dienste entlöhnt – zumindest die oberen Ränge. Viele aus der Bewegung hatten anfangs April ausdrücklich eine zivile Koordination nach dem Sturz des Regimes gefordert. Nun droht eine weitere Militärdiktatur. Besonders die kommunistischen und gewerkschaftlichen Teile der Protestbewegung werden daher nicht einfach aufgeben. Auch wenn das Militär nun selbst einen dreimonatigen Notstand ausgerufen hat. Wie ein Aktivist sagte: „Wenn die jetzt versuchen, im Sudan eine Militärregierung 2.0 zu installieren, dann lautet die Antwort Revolution 2.0“. Die Bewegung im Sudan hat zwar erste Siege errungen, der Befreiungskampf scheint jedoch erst richtig zu beginnen. Vor allem wenn die Bevölkerung nicht das gleiche Schicksal erleiden will, wie ihre Nachbar*innen in Ägypten.

 

Algerien: keine fünfte Amtszeit

Auch in Algerien gingen Menschen gegen die Regierung auf die Strasse. Dort herrschte lange Zeit Abd Al-Aziz Bouteflika. Dieser kam nach dem Algerischen Bürger*innenkrieg 1999 an die Macht. Dies auf Bestreben des Militärs, welches Bouteflika auch offiziell als Kandidaten unterstützte. In der Zwischenzeit hatte Bouteflika bei vier weiteren Präsidentschaftswahlen gewonnen, die Opposition witterte jedes mal grössere Wahlmanipulationen. Vor allem auch, da Bouteflika stets mit über 80% der Stimmen gewonnen habe.

 

Die offensichtliche Marionette

Seither hatte sich die Gesundheit des mittlerweile Zweiundachtzigjährigen dramatisch verschlechtert. 2013 musste er notfallmässig in Paris behandelt werden. Trotzdem trat er ein Jahr später erneut für die Präsidentschaft an und gewann diese, obschon er nur gerade zwei Mal öffentlich auftrat. Seither hatte er mehrere Schlaganfälle und mied die Öffentlichkeit. Schon lange wurde gemutmasst, dass der altersschwache Bouteflika unfähig war, die Regierungsgeschäfte zu führen. Umso erstaunter war die Bevölkerung also, dass – natürlich schriftlich – seine erneute Kandidatur für 2019 bekanntgegeben worden war. Es war nur zu offensichtlich, dass Bouteflika nur noch eine Marionette war. Und seine Drahtzieher*innen gaben sich nicht einmal mehr die Mühe, dies zu kaschieren.

 

Menschen fluten die Strassen


Daraufhin kam es im ganzen Land zu Demonstrationen und Streiks. Wie schon im Sudan entzündeten sich die Proteste ursprünglich an der fünften Amtszeit Bouteflikas und sind mittlerweile zur grundlegenden Kritik am korrupten Staat Algeriens angewachsen. Besonders auch die unabhängigen Gewerkschaften mobilisieren nun massiv gegen jenen Staat, welcher sie am liebsten aufgelöst oder „integriert“ sähe.

 

Immer wieder Angriffe

Wenn es nach dem Staat gehen würde, so wäre die linientreue Union Générale des Travailleurs Algériens UGTA die einzige Gewerkschaft im Lande. Daher gibt es immer wieder Angriffe auf unabhängige Gewerkschaften, welche sich nicht für den Staat, sondern die Arbeiter*innen einsetzen. Immer wieder wird solchen Gewerkschaften unter fadenscheinigen Gründen die Anerkennung entzogen und Mitglieder verhaftet.

 

Bouteflika ist weg


Schrittweise zogen sich die Mächtigen um Bouteflika zurück: Zuerst verkündete das Regime Bouteflika, dass er das Land reformieren würde. Als die Proteste nicht verstummten, war seine Kandidatur Mitte März Geschichte. Und damit auch gleich die auf April angesetzten Wahlen. Erst nach langem Hin und Her entschied sich die Elite anfangs April, Bouteflika abzusetzen und „vorübergehend“ mit seinen langjährigen Weggefährten zu ersetzen. Daher nehmen die Proteste immer noch nicht ab: Es sind schlichtweg andere Gesichter, aber nicht ein anderes Regime. Das Militär scheint sich den Protesten anzunähern, doch wie schon in Ägypten könnte sich das Militär damit erneut an die Spitze des Staats putschen, wo es ohnehin schon ist.

Proteste und Generalstreiks dauern immer noch an. Besonders Jugendliche und Student*innen fordern einen echten Systemwandel. Und dieser wird weder von alten Gesichtern noch dem Militär vollzogen werden.

FAT

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