Mit Strassenblockaden hat in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires der Donnerstag begonnen. Vielerorts war für Autos in der Stosszeit kein Durchkommen. Die Eisenbahnzüge standen ebenso still wie der Flugverkehr, die Häfen des Landes sowie der Lastwagenverkehr. Viele Tankstellen setzten ihren Betrieb aus, Restaurants und Banken blieben geschlossen. Auch einzelne Spitäler, Bildungseinrichtungen und Gerichte wurden bestreikt. Und selbst Fussball wurde an diesem Donnerstag nicht gespielt.
Schrumpfende Einkommen
Zum Generalstreik – dem zweiten in diesem Jahr – hatten die oppositionellen Flügel dreier grosser Gewerkschaften des Landes sowie linke Parteien und Arbeiterbewegungen aufgerufen. Letztere hatten sich bereits am Mittwoch zu Protesten in der Innenstadt von Buenos Aires formiert. Am Donnerstagmorgen blockierten sie Zufahrtsstrassen, um Busse und Taxis zu behindern, die sich dem Streik nicht angeschlossen hatten.
Der Protest der Arbeiter- und Angestelltenorganisationen wird auch von der grössten Gewerkschaft des Landes, der Confederación General de Trabajo (CGT), mitgetragen. Er richtet sich gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung, die für die Krise verantwortlich gemacht wird. Argentinien ist in eine Rezession geschlittert. Die Inflation beläuft sich auf mehr als 35 Prozent, gemessen über die letzten zwölf Monate, und zudem steigt die Arbeitslosigkeit. Monat für Monat steigen die Lebenskosten, bleibt weniger übrig für die Haushalte. Die Gewerkschaften fordern Steuererleichterungen und finanzielle Beihilfen, um die Familien der Lohnabhängigen zu entlasten.
Es sind dieselben Forderungen, welche die Gewerkschaften schon anlässlich des letzten Streiks am 10. April vorgebracht haben. Allerdings hat sich die Situation inzwischen weiter verschärft. Die Regierung muss sich nicht zu Unrecht Untätigkeit vorwerfen lassen. Doch Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner kämpft derzeit mit einem anderen Problem, das die wirtschaftliche Lage noch weiter verdüstern dürfte.
Argentinien befindet sich in einem erbitterten Streit mit ausländischen Hedge-Funds, die sich nach der Staatspleite 2001 nicht an der Umschuldung beteiligt hatten und nun eine volle Auszahlung fordern. Die Regierung weigert sich trotz einem Gerichtsentscheid in den Vereinigten Staaten, auf die Forderung einzugehen, und beschimpft die Kläger als «Geierfonds». Die nationalistische Haltung kommt bei vielen Argentiniern an, hilft dem Land aber nicht. Es wird wieder als zahlungsunfähig eingestuft und hat derzeit kaum Aussichten, auf die internationalen Finanzmärkte zurückzukehren.
Weitere Aktionen angedroht
Dass sich Kirchners Kabinettschef Jorge Capitanich zur Aussage verstieg, die Gewerkschaftsführer steckten mit den «Geierfonds» unter einer Decke, spricht entweder für den Realitätsverlust der Regierung oder lässt darauf schliessen, dass der Blick bereits auf die Wahlen in einem Jahr gerichtet sind. Der Kampf um die Präsidentschaft dürfte einmal mehr unter den verschiedenen Flügeln des Peronismus ausgemacht werden. Den Gewerkschaften, denen 40 Prozent der elf Millionen registrierten Arbeiter angeschlossen sind, kommt eine wichtige Bedeutung zu. Auch wenn der Streik von regierungskritischen Strömungen organisiert wurde, haben sich laut Gewerkschaftsführern zahlreiche Mitglieder auch der regierungstreuen Sektionen angeschlossen.
Der Generalstreik war deshalb nicht ein rein politisch motivierter Akt einer Minderheit der Gewerkschafter, wie Capitanich dies behauptete, sondern eine Machtdemonstration grosser Teile der Arbeiterschaft, welche die Krise spürt. Die Gewerkschaftsführer drohen mit weiteren Aktionen, sollte die Regierung den Protest nicht ernst nehmen.
Quelle: NZZ Online
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